Sehen mit Liebe — malen mit Zeit

So interessant und wichtig die Foto-Theorie auch ist — letztlich wollen wir uns natürlich in der Praxis bewähren, im Fotoalltag … und dies meint: Wir möchten unsere kreativen Bildideen exakt nach unseren Vorstellungen umsetzen. Ja – dazu sind die Theorie und das Beherrschen der Kamera sehr wichtig; aber ebenso eine fundierte Erfahrung sowie Selbstkenntnis.

Meine Fotografie ist meistens langsam: Mit einer Bildabsicht, einer Geschichte in Kopf und Herz taste ich mich ans Motiv heran, studiere es, dazu das Licht, die Perspektive, den Bildausschnitt, überdenke die Aussage des Bildes, die Wirkung, optimiere einiges, warte geduldig den richtigen Moment ab … und komme schließlich – vielleicht – mit einem, zwei oder drei Bildern nach Hause.

Wenige Bilder im Jahr, an denen ich mich tief erfreue, sind mir viel mehr wert, als tausende, die ich bald wieder vergesse. Meine Kurse fördern die Intuition, worin ein Bild an Aussage und Wirkung wächst und gewinnt, wenn wir auch philosophisch, mit dem, was uns am Herzen liegt, an eine Komposition herangehen – und mit dem Bild mitwachsen, bis es uns selber unendlich berührt.

Genau – ein wenig nostalgisch, wie zur ‹guten alten Zeit›, als niemand ‹schnell› ein Bild machte; dafür in Ruhe, bedacht eine Beziehung zum Motiv aufbaute – und das Bild eigenhändig entwickelte. Natürlich haben wir heute Vorteile: 100 Bilder ‹kosten ja nichts›, und missglückt eines, so machen wir eben ein nächstes. Wir sind verwöhnt – und verlieren aber auch etwas … außer denn, wir gönnen uns Zeit und arbeiten mußevoll – und kombinieren so die Vorteile von heute mit dem Guten von früher.

Nichtsdestotrotz – Theoriewissen, Praxiserfahrung, Handwerk, Kreativität, Formsinn, Ästhetik, ein möglichst freies künstlerisches Fühlen, Denken und Handeln sowie ein für meine Bildabsichten optimales Equipment, eine gekonnte Bildbearbeitung … gepaart mit purer Freude und aller Authentizität – vieles ist nötig, um dieser Kunst der Lichtmalerei gerecht zu werden – und letztlich ja sich selbst.

Und wahre Freude an dieser Kunst – denn sie hat hohen Wert und Sinn: die Natur, Menschen, Tiere, Gegebenheiten, einige Zusammenhänge, Schicksale, Wunder und vor allem sich selber kennenzulernen und etwas besser zu verstehen und letztlich auch: Menschen dienend Freude weiterzuschenken – oder sie aufzuwecken … Seelen zu begegnen, sie zu berühren und zu bewegen, zu trösten – was auch immer: Jeder findet im Tun und Wirken seine Bestimmung – irgendwann; denn «wer sucht, der wird auch finden».

Wer stets Bilder ohne tiefe Werte macht, wird fotografisch kaum zu wertvollen Zielen gelangen; und wer beim Fotografieren die Liebe und das Danken fürs Leben schlechthin vergisst, nun – der hat wohl einiges übersehen …

In diesem Sinne praktiziere und lehre ich ‹Fotografie› auch ein wenig philosophisch … so werden die Bilder sinnvoller – oder heiterer; stärker; aussagekräftiger … sie sagen Wesentliches aus – und die Technik aber beschert uns geniale Geräte; und die Theorie schließlich hilft, unsere tollen Werkzeuge, ja, das ganze Equipment auszuloten und auszuschöpfen – um somit unsere allmöglichen Ideen, unsere Kunst, gezielt umzusetzen.

Und solches Reifen ist womöglich grundsätzlich in allem wesentlich, was wir tun und lassen in unserem Leben – und vielleicht ist dies gar das Wichtigste: dass wir alles füreinander tun – und letztendlich, meine ich, für den Schöpfer.

Ganz gut Licht – und, wer weiß: bis bald?! —

Herzlich liebe Grüße – Martin Messmer